Die alltägliche Krise

löst oft das

besondere Problem.

Max Bodzin  

 

Entschleunigung durch Corona?

 

Ja, auch mich traf es, in mitten meiner Ferien vom 1.-8. März 2020. Als die Email-Flut Mitte Woche so stark zunahm, dass das Team zu Hause in der Schweiz übernehmen musste, war mir klar, da braut sich was außerordentliches zusammen. Im Ferienparadies nahm man es zwar wahr, aber die meisten nicht wirklich ernst. Da war zwar das ältere Ehepaar aus der Schweiz, die gleich für 1-2 Monate gebucht haben, weil der Mann ein Risikopatient ist, doch ansonsten waren alle recht entspannt. Bis zu meiner Rückkehr waren bei uns bereits die ersten Anlässe verschoben und die kommende Woche Eventfrei, obwohl wir jeden Tag ausgebucht gewesen wären. Zu Hause dann nach zwei Arbeitstagen die Hiobsbotschaft: Kurzarbeit. Für mich bis dahin ein absolutes Fremdwort. Als eine Mitarbeiterin mich fragte was dies bedeute, musste ich mich zuerst einlesen. Doch es ging alles sehr schnell. Kurz darauf folgten weitere Bekanntmachungen des Bundesrates mit neuen Forderungen und Bestimmungen. Die Folgen kennen wir: Kurzarbeit, Homeoffice und teilweise Arbeitsverbot. Die Schweiz gerät ins stocken und viele reden vom totalen Stillstand.

 

Viele versuchen es positiv zu sehen und meinen, nun werden wir entschleunigt, vom System ausgebremst. Doch stimmt das wirklich? Wenn wir genau hinschauen, stehen wir alle fast noch mehr unter Stress! Einerseits ist da das große Ungewisse. Was passiert mit meiner Arbeitsstelle, was mit meinem Job? Kann ich mit dem reduzierten Lohn oder dem kompletten Lohnausfall überhaupt überleben? Einmann(Frau)betriebe oder KMU’s haben es mit unvorstellbaren Existenzängsten zu tun. Stress pur! Natürlich gibt es auch täglich unzählige positive Nachrichten. Nachbaren helfen sich gegenseitig, gehen für einander einkaufen, rücken zusammen. Promis überfluten die Medien und sozialen Netzwerke mit ihren Aufforderungen zu Hause zu bleiben. Eine Solidaritätswelle geht durch das Land und um die gesamte Welt. Unternehmen die sich seit Jahren mit der Digitalisierung auseinandergesetzt haben, stellen von heute auf morgen auf Online-Dienstleistungen um. Da finden Weiterbildungen plötzlich in der Heim-Stube statt, Yoga-Gruppen treffen sich im Web, Fitness-Profis unterrichten ihre Schützlinge via Kamera. Viele Firmen schaffen es fast nahtlos, ihre Angebote den Kunden online zu präsentieren und man denkt im ersten Moment, wow, super, sehr innovativ. Doch auch hier Stress pur beim genaueren hinschauen. Die Existenzangst treibt einem dazu an, nicht stehenzubleiben, jeweils umgehend zu reagieren, fast wie früher, fressen oder gefressen werden.

 

Können wir überhaupt langsamer, ruhiger und bewusster?

Wie geht es Ihnen aktuell? Was geht in ihrem Inneren ab? Wo kreisen die Gedanken? Welche Ängste oder Unsicherheiten kommen zum Vorschein? Können sie wirklich hinhören und hinschauen? Sie merken, alle diese Fragen stelle ich mir selber auch. Auch ich spüre diese Unruhe, diesen inneren Trieb zu immer mehr, nicht stillzustehen, ständig in Bewegung zu bleiben. In meiner Tätigkeit als Leiter eines kleinen Teams und als Coach kenne ich die Reflexion sehr gut und bin es gewohnt kurz innezuhalten und hinzuschauen. Darum möchte ich sie dazu einladen, diese außergewöhnliche „Lage“ (ich sage bewusst nicht „Chance“, denn für alle da draußen, die um ihre Existenz kämpfen, ist es aktuell sicher nicht möglich etwas positives in der Situation zu sehen und es als Chance zu erkennen) zu nützen, um genau hinzuhören und wahrzunehmen. Was hat es wohl für sie persönlich zu bedeuten? Und wenn sie nicht gewohnt sind hineinzuhören, dann lassen sie sich unterstützen, es gibt genügend Profis die sie bei solchen Prozessen unterstützen können. Wenn sie aktuell auf der Suche sind nach etwas Entspannung, Ruhe und Entlastung, dann lassen sie sich sagen, es gibt wunderbare Tools und Anwendungsmöglichkeiten, die dies ermöglichen. Z.B. Meditation. Denn gerade in dieser Zeit wo wir fast 24/7 online sind und uns keine wirklichen Pausen gönnen, wäre es wichtig nach innen zu hören. Halten sie mal für kurze Zeit ihre Welt an, auch wenn es nur kurz ist. Gerne gebe ich ihnen drei kleine Übungen mit auf den Weg:

 

Übung 1:

Setzen sie sich nach dem erwachen am Morgen aufs Bett oder einen Stuhl. An einem Ort wo sie ungestört sind, noch ohne einen ersten Blick auf das Handy oder die Kaffeemaschine, also wirklich direkt nach dem aufstehen. Schließen sie vielleicht die Augen oder bestenfalls haben sie einen Blick auf den Sonnenaufgang oder eine Kerze. Nun nehmen sich sie 2, 5, 10 Minuten um hinzuhören. Was kommen für Gedanken, welche Gefühle nehmen sie wahr? Wenn Gedanken kommen, nehmen sie diese kurz wahr, lassen sie aber gleich wieder gehen. Sagen sie den kommenden Gedanken, dass sie sich später ihnen widmen, nun aber Zeit für sich brauchen. Aktuell gibt es nur sie und ihren Körper - hören sie hin. Was macht die Atmung, was der Herzschlag? Werden sie sich allen Gefühlen bewusst und nehmen sie diese wahr.

 

Übung 2:

Gehen sie nach dem aufstehen normal duschen. Zum Abschluss versuchen sie sich ganz kalt abzuduschen, eiskalt und zwar von Kopf bis Fuss. Danach trocknen sie sich nur flüchtig ab und legen sich noch möglichst nass auf ihr Bett (Badetuch) und lassen sich so trocknen. Genießen sie die Zeit und nehmen sie wahr was dabei passiert. Warten sie bis sie ganz trocken sind bevor sie aufstehen.

 

Übung 3:

Gehen sie im Verlauf des Tages laufen, vielleicht in der Mittagspause oder noch besser nach der Arbeit irgendwo an einem Waldrand oder im Wald drin. Nehmen sie sich dafür mindestens 30 Minuten Zeit. Ihre Aufgabe besteht darin das Tempo ihres Innern nach außen zu bringen. Sprich, sie laufen so schnell, wie sie sich innen drin wahrnehmen. Nehmen sie wahr wie sie gerade ticken und bringen sie diese Geschwindigkeit nach draußen.

 

Natürlich würde ich mich sehr über ein Feedback von ihnen freuen zu diesen drei Übungen. sie können dazu das Feedback-Formular ausfüllen. In diesem Sinne, bleiben sie gesund und passen sie auf sich auf. Nehmen sie sich Zeit, eine Zeit nur für sich und hören sie hin.

 

Alles Liebe und Gute.

 

Thomas Schärer, 23.03.2020